Grußwort von Dr. Claudia Dalbert zum dbb Landesgewerkschaftstag am 13. Juni 2012

Auf dem Landesgewerkschaftstag des deutschen Beamtenbundes Sachsen-Anhalt (dbb) sprach Claudia Dalbert ein Grußwort. Sie würdigte den dbb in ihrer Rede als kritischen Gesprächspartner für die Politik und zeigte sich beeindruckt von den Leistungen des dbb, so viel verschieden Berufsgruppen unter einem Dach gesamtheitlich zu vertreten. 

13.06.12 –

Lesen Sie die gesamte Rede hier:  

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Maik Wagner, lieber Herr Heesen,

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte mich zuallererst für die Einladung bedanken. Ich habe ja heute das erste Mal das Privileg als Fraktionsvorsitzende der bündnisgrünen Landtagsfraktion ein Grußwort zu Ihnen sprechen zu dürfen.

Der dbb Sachsen-Anhalt ist für die Politik ein kritischer Gesprächspartner – und das ist gut so. Als Dachverband sind Sie erfolgreicher Vertreter Ihrer 25.000 Mitglieder und Ihrer 31 Mitgliedsgewerkschaften- und verbände. Es gelingt Ihnen eine starke und geschlossene Stimme für die Interessen der Mitglieder zu sein. Und das ist schon eine beeindruckende Leistung, wenn man bedenkt, wie vielfältig diese Stimmen sein müssen; vom Bund Deutscher Forstleute über den Verband der Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst, der katholischen Erziehergemeinschaft, der Deutschen Polizeigewerkschaft bis hin zum Verband Hochschulen und Wissenschaften – um nur einige zu nennen. Diese vielen unterschiedlichen Mitglieder in ihrer Gesamtheit zu vertreten, ist nicht nur Ihre tägliche Herausforderung, sondern auch Ihre große Stärke.

Ich bin Herrn Heesen außerordentlich dankbar, dass er in seiner Rede auch auf die grundsätzlichen Herausforderungen eingegangen ist. Wer den Staat immer mehr seiner Einnahmen entkleidet, gefährdet das Funktionieren der Gesellschaft und am Ende auch das Funktionieren der Demokratie. Wir brauchen eine Finanztransaktionssteuer, damit jene, die die Krise verursacht haben, sich auch an ihrer Beseitigung beteiligen. Und für uns BÜNDNISGRÜNE ist der Fiskalpakt nur dann zustimmungsfähig, wenn es eine echte Vereinbarung hin zur Einführungen einer Finanztransaktionssteuer gibt. Herr Heesen, Sie haben auch auf die guten Erfahrungen verwiesen, die wir nach dem 2. Weltkrieg mit dem Lastenausgleich gemacht haben. Und so müssen wir heute eine Vermögensabgabe einführen, das ist der einfachste und am Besten durchzuführende Weg, die Vermögenden in unserer Gesellschaft - die ja ihr Vermögen in den letzten Jahren rasant vergrößern konnten - am Schuldenabbau zu beteiligen. Und dann müssen wir natürlich über die Einkommensteuer sprechen. Wir werden im Land beim Schuldenabbau große Probleme haben, wenn wir nicht endlich damit anfangen, die Einkommensseite des Staates zu verbessern. Wir GRÜNEN stellen uns da einen Einkommensteuersatz von 49% vor. Und das liegt ja weit unter dem Einkommensteuerspitzensatz, den wir unter Kohl hier bei uns in Deutschland hatten. Und natürlich müssen wir uns dafür einsetzen, dass es endlich einen flächendeckenden Mindestlohn gibt, damit die Menschen von ihrer Arbeit leben können. Alle diese Maßnahmen stärken nicht nur die Binnennachfrage, sondern diese sind zentral für die soziale Gerechtigkeit hier bei uns im Land.

Wenn wir mit Gewerkschaften sprechen, dann geht es natürlich auch um Bezahlung. Herr Heesen, Sie haben von den Frauen als Arbeitskräftepotential gesprochen. Wenn Sie Frauen für den Arbeitsmarkt gewinnen wollen, dann geht es um Fragen des Steuerrechts. Dann geht es um Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, und da sind wir ja bei uns in Sachsen-Anhalt mit dem Kita-Angebot gut aufgestellt. Aber es geht auch um gleiche Bezahlung für Männer und Frauen und natürlich auch um gleiche Karrierechancen für Männer und Frauen. Und das ist ein Problem von den Vorstandsetagen der Dax-Unternehmen bis zu den Angestellten im Handel. Und bei gleichem Lohn für gleiche Arbeit geht es noch um einen anderen Aspekt. Wir sind hier in Ostdeutschland und da muss ich sagen, dass es mir völlig unverständlich bleibt, warum über 20 Jahre nach der Wiedervereinigung in Ostdeutschland immer noch niedrigere Löhne gezahlt werden als in den alten Bundesländern. Wir dürfen uns dann nicht wundern, dass unsere jungen gut ausgebildeten Menschen in den Westen abwandern, wo sie für die gleiche Arbeit eine bessere Bezahlung bekommen.

Zur Wahrheit in Sachsen-Anhalt gehört leider auch, dass wir unter einem gewissen Sparzwang stehen, der durch den Bevölkerungsrückgang resultiert – Sie nehmen dies in Ihrem Tagungsmotto auf. Auch werden die Gelder aus der EU zurückgehen und es werden eben auch die Gelder vom Bund zurückgehen. Sie wissen vielleicht, dass wir GRÜNEN zur Frage des Länderfinanzausgleichs ein Gutachten in Auftrag gegeben haben, weil wir hier neue Wege suchen wollen. Wir müssen Deskriptoren bestimmen, jene Landesteile zu beschreiben, die Ausgleichszahlungen benötigen, und solche Landesteile zu bestimmen, die Ausgleichszahlungen leisten können. Landesteile, die Ausgleichszahlungen benötigen werden, werden sie überall in Deutschland finden. Landesteile, die Ausgleichszahlungen leisten können, werden sie ebenso überall finden - auch hier bei uns Ostdeutschland. Und das ist ja gut so. Im neuen Länderfinanzausgleich werden also die Grenzen zwischen Geber- und Nehmerländern nicht zwischen Ost- und Westdeutschland verlaufen.

Der Rückgang des Landeshaushalts bedeutet überall im Land Einschnitte, und somit auch beim Personal. Die Landesregierung hat mit dem Personalentwicklungskonzept einen Weg geebnet, den wir BÜNDNISGRÜNE kritisch im Landtag und im Land begleiten werden. So haben wir bereits während der Haushaltsverhandlungen versucht, bessere und mehr Altersteilzeitmöglichkeiten für die Beschäftigten im Land zu schaffen, die flexiblere Stufungen vorsehen und es künftig deutlich mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglicht hätten, die Altersteilzeit zu nutzen. Wir sind froh, dass es nun eine - wenn auch restriktivere - Altersteilzeitregelung gibt. Wichtig wird nun sein, darauf zu achten, dass wir die durch die Altersteilzeit frei werden Mittel nicht nur zur Haushaltskonsolidierung nutzen, sondern diese Mittel nutzen, um mehr Neueinstellungen zu realisieren. Wir müssen doch jede Chance nutzen, die jungen Menschen heute im Land zu halten, die wir morgen dringend brauchen!

Man muss sich auch wundern, warum in einigen Bereichen besonders viele Stellen gestrichen werden, etwa im Verbraucherschutz. Beim Landesamt für Verbraucherschutz sollen im Vergleich zu 2011 schließlich fast 40% der Stellen gestrichen werden. Nur im Vergleich: bei der Ministerialverwaltung geht es nicht einmal um 30% der Stellen. Niemand kann mir sinnvoll erklären, warum 2025 der Verbraucherschutz so viel weniger gebraucht wird, als wir es heute tun. Die Lebensmittelskandale und Finanzmarktbetrügereien weisen in eine andere Richtung.

Wir müssen auch darauf achten, dass der Personalabbau im Land nicht dazu führt, dass die Belastung der verbleibenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das ertragbare Maß übersteigt. Hier haben wir schon das Stichwort „Aufgabenkritik“ gehört: Welche Aufgabe wollen wir uns auch morgen mit weniger Personal leisten und welche Aufgaben wollen wir streichen?

Aber lassen Sie mich hier auf einen zusätzlichen Punkt zu sprechen kommen:

Die Prävention von Krankheiten, die durch die Arbeitsbelastung verursacht werden, muss künftig mehr in den Fokus des Landes als Arbeitgeber rücken. Die Krankheitsprävention ist ein wesentlicher Faktor für gute Arbeit – Gewerkschaften und Personalräte sind das nötige Gegengewicht zur Verdichtung der Arbeitsabläufe, zur Zunahme der Flexibilität , zur permanenten Verfügbarkeit durch neue Medien. Die Folgen kennen wir: Burn-Out, Fehlzeiten und sicherlich auch familiäre Belastungen. Arbeitsstress wird zunehmend mit ins Privatleben genommen.

Laut dem Gesundheitsreport Sachsen-Anhalt der DAK ist der Krankenstand in Sachsen-Anhalt nirgendwo so hoch, wie in der öffentlichen Verwaltung – nämlich bei 4,8%. Im Vergleich zum Jahr 2002 gab es 2011 doppelt so viele Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen. 10,5% aller Ausfalltage in Sachsen-Anhalt gehen mittlerweile auf das Konto von psychischen Erkrankungen, die im Durchschnitt einen erkrankten Arbeitnehmer 27 Tage fehlen lassen. Das sind natürlich alles Kosten für das Land, aber eben auch menschliche Schicksale, denen wir begegnen müssen.

Der DAK Gesundheitsreport lenkt den Blick auf Gratifikationskrisen als Ursache insbesondere für psychische Leiden. Eine Gratifikationskrise liegt vor, wenn ein Beschäftigter/eine Beschäftigte unter einem Missverhältnis von Verausgabung bei der Arbeit und der dafür erhaltenen „Belohnung" leidet. Dabei spielt noch nicht einmal Geld die Hauptrolle, sondern Anerkennung, Karrierechancen und Arbeitsplatzsicherheit sind ebenso wichtige Faktoren. Etwa 10% der ArbeitnehmerInnen in Deutschland leiden an einer Gratifikationskrise. Der hohe Krankenstand im öffentlichen Dienst in Sachsen-Anhalt lässt vermuten, dass es hier im Land noch mehr sind. Wer immer mehr in gleicher Zeit leisten muss und dafür weder mehr Geld noch mehr Anerkennung erhält, gerät leicht in eine solche Gratifikationskrise. Hiergegen helfen ein anständiges Stressmanagement, eine positive Führungskultur, familienfreundliche Arbeitsbedingungen und natürlich ein positives Betriebsklima.

Dieses positive Betriebsklima resultiert eben auch aus einer angemessenen Möglichkeit zur Mitbestimmung. Sie fordern mehr Mitbestimmung und mehre Rechte für die Personalräte. Da stehen wir ganz bei Ihnen. Wenn Sie in die Wirtschaftsforschung schauen, dann gehört es dort zum Allgemeingut, dass ein erfolgreiches Unternehmen eines ist, dass seine Belegschaft bei den wesentlichen Entscheidungen mitbestimmen lässt. Und was für moderne und erfolgreiche Unternehmen gilt, sollte auch für den Staat als Arbeitgeber gelten.

Demokratie und die Stärkung von Beteiligungsmöglichkeiten ist ein Schwerpunkt unserer Fraktion. Aktuell wollen wir die Frage von Kinderrechten im Rahmen des Kinderförderungsgesetzes einbringen. Oder wir haben uns für die paritätische Besetzung der Gesamtkonferenzen in Schulen stark gemacht. Was in Kitas und Schulen anfangen muss, darf in der Arbeitswelt natürlich nicht aufhören. Mündige Kinder, mündige ArbeitnehmerInnen, Bürgersinn, Beteiligung und Befähigung zur Eigenverantwortung - das sind Forderungen, die überall greifen.

Sie als dbb haben eine große Verantwortung, weil Sie wichtige Teile unsres Lebens hier im Land mitgestalten. Dabei wünscht Ihnen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine erfolgreiche Hand!



Prof. Dr. Claudia Dalbert, 13. Juni 2012

Kategorie

Bildung | Parlament

GRUENE.DE News

<![CDATA[Neues]]>