Magdeburger Erklärung - Grüne Politik für eine echte Energiewende

Seit Wochen und Monaten wird durch die schwarz-gelbe Bundesregierung die öffentliche Diskussion um steigende Strompreise und die Kosten der erneuerbaren Energien befeuert. Beschworen werden Szenarien, welche die 2011 im breiten Konsens der Parteien beschlossene Energiewende als nicht bezahlbar darstellen.

05.03.13 –

Magdeburger Erklärung

Grüne Politik für eine echte Energiewende

Seit Wochen und Monaten wird durch die schwarz-gelbe Bundesregierung die öffentliche Diskussion um steigende Strompreise und die Kosten der erneuerbaren Energien befeuert. Beschworen werden Szenarien, welche die 2011 im breiten Konsens der Parteien beschlossene Energiewende als nicht bezahlbar darstellen. In Folge dieser gezielten Kampagne – flankiert von der Wirtschaft -- verhakt sich nun Schwarz-Gelb im Bundestagswahlkampf bei diesem Thema und kündigt in der Praxis diesen breiten gesellschaftlichen Konsens auf. Dieses wahltaktische Hü und Hott verbietet sich aber, denn die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die uns alle in Deutschland noch Jahrzehnte fordern wird.

Dazu stellen die Vorsitzenden der ostdeutschen Landtagsfraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fest:

Energiewende ist mehr als das Abschalten von acht Atomkraftwerken. Eine echte Energiewende bedeutet eine grundlegende Umstrukturierung des Energiemarktes. Während Schwarz-Gelb im Bund unter dem Deckmantel der Strompreisbremse den Ausbau der Erneuerbaren Energien ausbremst und die SPD in den Ländern die Kohlezöpfe nicht abschneiden will, hat die Wende in der Gesellschaft längst an Fahrt aufgenommen. Wir Grünen kennen die Herausforderungen und wollen sie im Bund und in den Ländern anpacken. Wir zielen auf eine 100%-prozentige Versorgung mit Erneuerbaren Energien – im Strombereich wollen wir dieses bis zum Jahr 2030 und zu großen Teilen im Wärme- und Verkehrsbereich bis zum Jahr 2040 erreichen.

Der Ausstieg aus der atomar-fossilen Energieversorgung und der schrittweise Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energien ist der Kern einer von uns gewollten Energiewende. Diese soll zu einer Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad beitragen und damit die Grundlagen des Lebens auf diesem Planeten sichern helfen. Seit Jahren ist klar: die Energiewende ist mit bereits heute bekannten Techniken machbar. Sie muss und kann in ihren Kosten ausgewogen und sozial gerecht gestaltet werden.

Gleichzeitig muss der Energieverbrauch massiv gesenkt werden – dieses ist möglich, ohne dabei auf Lebensqualität zu verzichten. Genauso sehr braucht es Anstrengungen im Bereich Energieeffizienz.

Zur Erreichung dieser Ziele setzen wir uns als grüne Fraktionen in den neuen Bundesländern konsequent ein für:


Eine dezentrale und demokratische Energieversorgung

Die zukünftige Energieversorgung wird kleinteiliger und vielfältiger sein und muss trotzdem gut vernetzt sein. Wir brauchen eine Energiewende von unten, weg von den großen Energieversorgern hin zu vielen Mitspielern wie den Stadtwerken, rekommunalisierten Regionalversorgern und Energiegenossenschaften. Durch die direktere Beteiligung der Menschen an Erneuerbare-Energien-Erzeugungsanlagen und den Energienetzen können sie mitbestimmen. Immer mehr Menschen werden deutschlandweit zu echten Akteuren der Energiewende. Bereits heute setzen deutschlandweit 132 Regionen mit 20 Millionen Menschen auf eine Vollversorgung aus Erneuerbaren Energien (Novy-Institut, 31. Dezember 2011). Die regionale Wertschöpfung wird gesteigert – das Geld bleibt in der Region.

Die ostdeutschen Länder haben hier noch Nachholbedarf. Denn von den Gewinnen aus Erzeugung und Transport muss viel in der Region verbleiben. Mit der Energiewende sehen wir die Chance und die Ermutigung, dass die Bürgerinnen und Bürger auch in Ostdeutschland die Energiewende in ihren Kommunen zunehmend mitgestalten.

Die Energieversorgung der Zukunft gelingt nur mit Hilfe der für den Ausbau der Erneuerbaren vor Ort engagierten Unternehmen. Um dem globalen Konkurrenzdruck standhalten zu können, braucht es mehr private und öffentliche Investitionen in Forschung und Entwicklung.


Bezahlbare Energie

Die fossilen Brennstoffe sind endlich, sie werden immer teurer, oftmals in politisch instabilen Regionen gefördert und verursachen enorme Umweltschäden. Nur die Erneuerbaren Energien können uns langfristig vor den Liefer- und Preisrisiken der fossilen Energieträger bewahren. Wer wie Altmaier und Rösler den Erneuerbaren Energien Stolpersteine auf den Weg legt, nimmt inakzeptable Kostensteigerungen für Verbraucherinnen, Verbraucher und kleine und mittelständische Unternehmen in Kauf – das darf nicht sein. Grüne meinen: Die Kosten müssen gerecht verteilt werden und man kann sie durch eine kluge Steuerung im Griff behalten.

Kurzfristig können die Strompreise mit den Vorschlägen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN um zwei Cent je Kilowattstunde gesenkt werden. Dieses ist möglich durch: das Zurückfahren der Privilegien für energieintensive Industrien, die Rücknahme der Haftungsumlage für Offshore-Windparks, die Weitergabe der gesunkenen Börsenstrompreise an alle Endkunden und die Befreiung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von kostentreibenden Faktoren. Darüber hinaus müssen weitere Entlastungspotenziale erschlossen werden - diese sehen wir in der Förderung von Energiesparen (Energiespartarif, Energiesparfonds) und Effizienzmaßnahmen.

Einkommensschwache Haushalte benötigen eine Anpassung bestehender Transfersysteme (Grundsicherung, Wohngeld, Bafög) sowie eine Förderung der effizienteren Verwendung von Strom. Auf dem Arbeitsmarkt wollen wir mehr Arbeit in zukunftsfähigen Branchen und ganz wichtig die Einführung von Mindestlöhnen.

Am Ende steht nicht die Frage, ob wir uns den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien noch leisten können, sondern was uns der historische Umbau unserer Energieversorgung und der Kampf gegen den Klimawandel wert sind. Wir sind uns sicher, dass eine saubere, sichere und dauerhafte Energieversorgung auf der Basis von 100 Prozent Erneuerbaren Energien zu bezahlbaren Preisen möglich ist.


Einen zügigen Netzausbau mit BürgerInnenbeteiligung

Die Energiewende braucht leistungsfähige Strom-, Gas- und Wärmenetze. Es reicht aber nicht aus, den Menschen die Notwendigkeit des Netzausbaus zu erklären, denn der geplante Netzausbau führt zu sehr großen Betroffenheiten, insbesondere in den ländlichen Regionen.  Daher brauchen die Akteure Handlungsspielräume und müssen auch bereit sein, diese einzusetzen. Wenn die Politik die richtigen Prioritäten bei der regionalen Stromversorgung setzt, wird sich der Investitionsbedarf in die großen Überlandnetze verringern.  Damit können die Kosten des Netzausbau begrenzt werden.

Wir setzen uns dafür ein, dass Stromtrassen unter die Erde verlegt werden. Auf der Höchstspannungsebene, wo eine unterirdische Verlegung nicht immer sinnvoll ist, wollen wir, dass im ergebnisoffenen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Kommunen vor Ort gemeinsam die beste Trassenführung festgelegt wird – dieses Verfahren wird in Schleswig-Holstein praktiziert und hat sich bewährt. Zugleich werden wir prüfen, inwieweit sich betroffene Kommunen und Bürgerinnen und Bürger finanziell an den Netzen beteiligen können, um dann später von den Renditen zu profitieren.


Die Anwendung von Speichertechniken

Um das Angebot an Erneuerbaren Energien gut mit dem Verbrauch zur Deckung zu bringen, sind sowohl eine Flexibilisierung der Nachfrage, als auch neue Speichertechniken erforderlich. Die schwarz-gelbe Energiepolitik der Bundesregierung und Länder ohne grüne Beteiligung vernachlässigen dieses so wichtige Thema bisher sträflich. Wir setzen uns dafür ein, dass die bereits heute technisch verfügbaren Speichertechniken schnell zur Anwendung gebracht werden. Insbesondere die ersten Praxisprojekte der Power to Gas Technologie sind vielversprechend. Parallel sind Forschung und Entwicklung von Speichern zu intensivieren.


Die Errichtung eines Kapazitätsmarktes

Wir brauchen Kapazitäten, die wir flexibel zu- und abschalten können, um Schwankungen bei der Erzeugung von Erneuerbaren Energien auszugleichen.

In einer Welt mit 100 Prozent Erneuerbaren müssen neben der Erzeugungsseite auch auf der Nachfrageseite Leistungen flexibler gesteuert werden. So muss das Lastmanagement systematisch ausgebaut werden und große Verbraucher bei Industrie und Gewerbe sollen  ihre Energienachfrage in den Zeiten drosseln, wenn weniger Erneuerbare Energie erzeugt wird. Soweit die Anreize des Marktes nicht ausreichen, um die notwendigen Investitionen in flexible Kraftwerke rechtzeitig zu tätigen, kann ein Kapazitätsmarkt dazu beitragen, den Investitionsstau zu überwinden. Solange die Speichertechnologien und die Stromnetze noch nicht für eine 100%ige Erneuerbare Vollversorgung bereit sind, setzen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch auf moderne und effiziente Gaskraftwerke und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die in der Übergangszeit mit Erdgas und später mit erneuerbarem Methan und Wasserstoff betrieben werden können.

Wir brauchen für ein dezentrales Energiesystem mit steigendem Anteil Erneuerbarer Energien ein neues Marktdesign, dem – im Vergleich zu heute - ein anderes System der Preisbildung von Energien und Leistungen zugrunde liegt. Hierbei wird auch zu berücksichtigen sein, dass Umweltschäden und andere versteckte externe Kosten einen Preis bekommen und verursachergerecht abgerechnet werden. Neue Vergütungsstrukturen zielen auch darauf, dass Erneuerbare Energien in Zukunft ohne direkte und indirekte Subventionen auskommen.


Einen schrittweisen und sozialverträglichen Ausstieg aus der Kohle

Kohlekraftwerke sind Klimakiller, die Förderung der Kohle zerstört Landschaft und Ökosysteme und beraubt die Menschen ihrer Heimat.

Es ist ein Märchen, dass Deutschland die Kohleverbrennung braucht. Je mehr unterschiedliche Erneuerbare in das System eingespeist werden, desto weniger unflexible Grundlastkraftwerke können noch sinnvoll betrieben werden. Die Stabilität des Stromnetzes hängt nicht am Grundlaststrom und wird in einem regenerativen Energiesystem nicht mehr durch Großkraftwerke, sondern durch intelligente Technik und flexible Kapazitäten bereitgestellt.

In den Ländern setzen wir uns für den schrittweisen Ausstieg aus der Kohle ein und sorgen bei der Umstrukturierung dafür, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Kohlebranche eine neue berufliche Perspektive erhalten. Den Neubau von Kohlekraftwerke in Profen und in Jänschwalde und den Aufschluss neuer Tagebaue in Lützen, Welzow Süd TF II, Jänschwalde Nord, Nochten und die Erweiterung von Vereinigtes Schleenhain wollen wir verhindern. Wo Erneuerbare Energien wachsen, wird Kohle weichen müssen.

 

Ein neues Bergrecht

Die Rohstoffgewinnung zur Energieerzeugung hat beim Abbau der Braunkohle verwüstete Landschaften hinterlassen. Trotz Rekultivierungssversuchen bleibt dort der Wasserhaushalt auf Jahrzehnte zerstört. Das Grundwasser ist mit Fremdstoffen belastet, durch Eisenoxid verfärbt und droht  inzwischen sogar die Wasserversorgung Berlins zu gefährden.

Die Bundesregierung und manche Landesregierungen haben daraus nichts gelernt. Der Untergrund wird ohne Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an Energie- und Rohstoffunternehmen verteilt. Die CCS-Technologie gefährdet das Grundwasser genauso wie das Fracking zur Förderung von Schiefergas. Wir wollen vollständige Transparenz und Mitbestimmung über Vorhaben im Untergrund statt unbekannter Chemiecocktails im Boden. Dazu bedarf es nicht kosmetischer Korrekturen, sondern eines neuen, grünen Bergrechts.

Die notwendigen Schritte für eine echte Energiewende sind also bekannt. Der Bund genauso wie jedes Bundesland müssen hier ihre Hausaufgaben machen.


Eine echte Energiewende kann es nur mit einem grünen Politikwechsel geben.

 

Axel Vogel, Fraktionsvorsitzender Brandenburg

Jürgen Suhr ,Fraktionsvorsitzender Mecklenburg-Vorpommern

Antje Hermenau, Fraktionsvorsitzende Sachsen

Prof. Dr. Claudia Dalbert, Fraktionsvorsitzende Sachsen-Anhalt

Anja Siegesmund, Fraktionsvorsitzende Thüringen

Kategorie

Parlament | Umwelt

GRUENE.DE News

<![CDATA[Neues]]>