Menü
26.09.11 –
Friedensbildung und Sicherheitspolitik: ein Thema, das gerade in der Schule von allen Seiten durchleuchtet werden muss. „Täglich ändern sich Konstellationen und Rahmenbedingungen, Akteure und Bündnisse: deshalb ist es gerade für Schulen wichtig, den entsprechenden Unterrichtsstoff aktuell zu halten und möglichst viele Partner daran zu beteiligen“, betont Dr. Claudia Dalbert.
Aus diesem Grund fragte die Abgeordnete von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Rahmen einer Kleinen Anfrage bei der Landesregierung nach. „Das Ergebnis ist katastrophal – soweit ich überhaupt von einem solchen sprechen kann“, erklärt die bündnisgrüne Politikerin. 15 Fragen umfasst die Anfrage, bei sechs verweist das Kultusministerium auf die Schulen. Dort liege die Entscheidungsverantwortung. Bei zwei weiteren verweist das Ministerium auf das Landeskommando Sachsen-Anhalt der Bundeswehr. „Eine solche Antwort habe ich befürchtet, nicht zuletzt habe ich deswegen überhaupt die Anfrage gestellt. Es kann doch nicht sein, dass der Kultusminister sich nicht darum kümmert, wie dieses Thema an den Schulen in Sachsen-Anhalt behandelt wird.“
Bei den Antworten auf die Kleine Anfrage Dalberts nach den Partnern bei der Unterrichtsgestaltung und den Materialien erhielt die bündnisgrüne Politikerin nur Allgemeinplätze wie beispielsweise „Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung“, „Eigenständigkeit der Schulen“, „Konferenzen gestalten und koordinieren“. Die Selbstständigkeit der Schulen darf keine Entschuldigung dafür sein, dass Dorgerlohs Ministerium sich hierbei in Allgemeinplätzen verliert, meint Dalbert. „Die Unwissenheit des Ministeriums ist für mich ein schreckliches Ergebnis: Nur wenn das Material aktuell ist und unterschiedliche Akteure zu Wort kommen, kann der Unterricht funktionieren! Im Kultusministerium scheint man sich darum aber nur wenig zu kümmern.“ Auch den Geschäftsführer der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden, Christian Griebenow, schockieren diese Fakten: „Wenn das Unterrichtsmaterial nur von der Bundeswehr kommt, kann es sich nicht um neutrale Friedenspolitik drehen, denn dann kommt nur ein Akteur zu Wort. Dann werden nur Methoden der Gewalt als Lösung vorgestellt – Friedensbildung muss aber mehr leisten.“
Bei der Frage nach der Prüfung der Unterrichtsmaterialien, die durch die Bundeswehr eingesetzt werden, weicht das Ministerium Stephan Dorgerlohs aus. Alle Unterrichtsmaterialien, auch die der Bundeswehr, würden durch die rechtlichen Maßgaben für die Prüfung und Zulassung von Schulbüchern in Sachsen-Anhalt nicht tangiert, heißt es dazu in der Antwort. „Ausweichen, abschieben, delegieren: dieser Mechanismus darf doch gerade bei solch einem zentralen, politischen Thema an unseren Schulen in Sachsen-Anhalt nicht gelten“, kritisiert Dalbert. Diese Ansicht unterstreicht der Geschäftsführer der Deutschen Stiftung Friedensforschung (Osnabrück), Dr. Thomas Held. Es habe eine lange Tradition, nur bei der Bundeswehr anzufragen. „Da besteht ein großes Defizit, um ein ausgewogenes Angebot zu ermöglichen. In Marburg wurde dazu erst kürzlich die ,Stiftung Friedensbewegung‘ gegründet. Sie plant eine Kampagne unter dem Titel: ,Friedenspädagogik‘.“
Ein weiterer Punkt der Anfrage Dalberts beschäftigt sich mit der besonderen Rolle der Frau in Kriegssituationen und den am Unterricht beteiligten Organisationen, die der Bundeswehr kritisch gegenüber stehen. „Auch hier bekam ich die Standardantwort: Dabei handelt es sich um Entscheidungen jeder Einzelschule. Die Landesverwaltung erhebt dazu keine Daten.“
Konkret gefragt nach dem „Kontroversitätsgebot“, das jedes politische Thema gegensätzlich behandelt und diskutiert werden sollte, verweist das Kultusministerium auf die Arbeit der Jugendoffiziere. Sie trügen durch ihre Arbeit als Mittler der Politischen Bildung im öffentlichen Auftrag den Grundprinzipien der Pluralität, Überparteilichkeit und Unabhängigkeit Rechnung. Dalbert ist entsetzt: „Das Kultusministerium kann sich doch nicht damit zufrieden geben, dass nur eine Seite ihre Lösungen anbietet. So wird im Unterricht nicht debattiert, es kommt ja nur eine Sichtweise zu Wort.“ Völlig identisch argumentiert der Geschäftsführer der Deutschen Friedengesellschaft (Frankfurt), Monty Schädel: „Wir hatten bisher aus Sachsen-Anhalt noch keine Anfragen, uns am Unterricht zu engagieren. Grundsätzlich lehnen wir Jugendoffiziere an Schulen ab, weil der Krieg kein Mittel der Politik ist und die Bundeswehr dies nur als Mittel zur Rekrutierung nutzt.“
Und was schlägt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor, um die Einseitigkeit zu stoppen? Dalbert: „Auf der einen Seite haben wir die klar strukturierte Bundeswehr, auf der anderen Seite eine Vielzahl von Akteuren. Um da den Schulen zu helfen, könnte das Ministerium in einem ersten Schritt eine Übersicht mit Ansprechpartnern zusammenstellen, sodass die Schulleiter gezielt dort nachfragen können.“ Dalbert wünscht sich, dass das Kultusministerium so aktiv die Schulen dazu ermuntert, auch andere Partner, außer den Jugendoffizieren, an die Schule einzuladen.
Die Kleine Anfrage und die Antworten vom 21.09.2011 (Drucksache 6/416) sind hier als pdf/Dokument zu finden: www.landtag.sachsen-anhalt.de
Kategorie
Gestern hat die 29. Conference of the Parties (COP) in Baku, Aserbaidschan begonnen. Für Deutschland wird Annalena Baerbock als Verhandlerin [...]
Robert Habeck hat einen Plan vorgestellt, wie Deutschlands wirtschaftliche Kräfte neu entfesselt werden. Die Vorschläge sollen die [...]
Gestern am späten Abend wurde das weiterentwickelte Kita-Qualitäts- und Teilhabeverbesserungsgesetz (KitaQuTH) im Bundestag beschlossen. Es [...]