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30.09.11 –
MAGDEBURG/UM - "Das geht gar nicht!" So reagiert die Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Dr. Claudia Dalbert, auf die Antworten der Landesregierung auf ihre Kleine Anfrage zu Kooperationsvereinbarungen zwischen Hochschulen und privaten Unternehmen.
"Die Antworten zeugen von solch einer Ignoranz im Wissenschaftsministerium, die ich mir schlimmer nicht hätte vorstellen können - von Transparenz gerade in diesem sensiblen Bereich der Verträge mit privaten Unternehmen keine Spur", erklärt Dalbert. Hochschulen haben einen Forschungsauftrag, dem sie autonom nachkommen. Jede Hochschule muss dabei autark in den drei Bereichen Personal, Zugriff auf Forschungsergebnisse und Lehre/Prüfung handeln können. "Mit meiner Kleinen Anfrage wollte ich herausfinden, in wie weit Kooperationsverträge mit privaten Unternehmen dies in Sachsen-Anhalt einschränken", sagt Dalbert.
Gerade die Antwort des Wissenschaftsministeriums, dass Informationen über Professoren, die in Nebentätigkeit ein privatrechtlich organisiertes Institut betrieben, dem Datenschutz unterliegen, ist für Dalbert völlig unzulänglich. "Das sind Landesbeamte. Ich kann nicht erkennen, wieso Angaben über deren Institute dem Datenschutz unterliegen." Dabei handele es sich nicht "um Geheimkammern". Hier seien öffentliche Einrichtungen beziehungsweise Landesbeamtinnen und Landesbeamte Vertragspartner und dementsprechend habe die Öffentlichkeit auch ein Recht darauf zu erfahren, in wie weit dort staatliche Mittel privat genutzt werden. Dalbert: "Die Ahnungslosigkeit des Hauses von Ministerin Wolff ist offensichtlich! Wer was bezahlt, wer welches Personal stellt, wer wo welche Ausrüstung nutzt, wer privatwirtschaftlich in staatlichen Räumen forscht - zu all den Komplexen habe ich durch die Antworten keine Informationen erhalten." Die Regierung Haseloff komme hier ihrer Informationspflicht in keinster Weise nach. Auch Michael Sonnabend (Pressestelle Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Essen) beurteilt diese Aussagen der Landesregierung skeptisch. "Alles, was in Verbindung mit der Hochschule steht, sollte offen sein. Da geht kein Weg dran vorbei, alles andere wäre fatal."
Ein weiteres Standbein der freien Forschung an Hochschulen ist der Zugriff und das Publizieren der Resultate. "Haben hier bei uns in Sachsen-Anhalt private Unternehmen dank ihrer Kooperationsverträge mit Hochschulen Einfluss darauf? Aus diesem Grund habe ich die Landesregierung gefragt, ob die Verträge frei zugänglich sind. Alle ,Verträge und Vereinbarungen unterliegen grundsätzlich der Vertraulichkeit' heißt es dazu in der Antwort. Aber das kann doch nicht sein! Das freie Publikationsrecht muss gelten!" Auch hier stimmt Sonnabend dem Urteil Dalberts zu: "Wenn die Landesregierung das so meint, dann ist das ihre Sache, aber als Signal an die Öffentlichkeit ist das nicht gut. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu wissen, was an den Hochschulen passiert. Das sollte transparent sein." Der Pressesprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Sachsen-Anhalt (GEW), Hans-Dieter Klein, geht sogar noch einen Schritt weiter: "Das ist schon problematisch. Eigentlich haben wir dazu in den anderen Bundesländern immer Auskunft bekommen."
Als Beispiel für gefährliche Beeinflussungen von privaten Unternehmen nennt Dalbert einen Bericht auf "taz.de". Das Online-Portal berichtet darüber, dass zwei Berliner Universitäten der Deutschen Bank "weitereichende Mitspracherechte einräumt" haben. So müssten die im Rahmen zwischen den Vertragspartnern abgestimmten Forschungsprojekte der Deutsche Bank zur Freigabe vorgelegt werden, Bankmitarbeiter erhielten Lehraufträge und würden zur Prüfung herangezogen, die Bank erhalte Mitspracherecht bei der Ausrichtung und Besetzung von Professuren, heißt es bei taz.de. "Dieser Bericht zeigt, wie wichtig es ist, dass Verträge zwischen privaten Unternehmen und Hochschulen einsehbar sind. Es gibt einen erheblichen Unterschied zwischen dem privatwirtschaftlichen Interesse und dem öffentlichen. Hier darf es nicht zu einer Verzerrung kommen. Hier können nicht einfach Forschungsergebnisse unter den Tisch fallen, weil sie einem Unternehmen nicht in den Kram passen."
Das dritte Standbein der Hochschulen ist die Freiheit der Lehre und die Prüfungsautonomie - ein Kennzeichen der qualitativ hervorragenden Forschung in Deutschland. "Angesichts der ungenügenden Informationen davon zu sprechen, dass es hierbei ,keinen Anlass zur Sorge' gibt, erscheint mir schlichtweg fahrlässig", betont Dalbert. Ihr ginge es nicht darum, dass die Landesregierung Einfluss auf die Hochschulen ausübt, aber eine Wachsamkeit gegenüber möglicher Beeinträchtigungen von Veröffentlichungen durch Dritte müsse sichergestellt werden.
"Die Antworten zeigen mir, dass es im Wissenschaftsministerium keinerlei Vorstellung über die Inhalte der Kooperationsverträge gibt", meint Dalbert. Trotzdem strebe die Landesregierung unter Ministerpräsident Haseloff einen Ausbau der Kooperationsverträge an. "Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Ziel und Erträge der Verträge müssen klar sein, nur dann kann man sich auch für mehr Kooperationsverträge einsetzen."
Dalbert: "Es ist Zeit, dass sich Herr Haseloff hier bei uns in Sachsen-Anhalt um die Hochschulpolitik kümmert und nicht kreuz und quer durch Deutschland reist, um junge Menschen nach Sachsen-Anhalt zurück zu holen."
"Nur Wachsamkeit gewährleistet die Freiheit der Forschung."
Dr. Claudia Dalbert, Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Hintergrund
Auslöser für die Anfrage Dalberts sind Berichte auf "taz.de". Das Online-Portal berichtet darüber, dass sich die Deutsche Bank durch Sponsoren- und Kooperationsverträge weitreichende Mitspracherechte bei der Lehrkonzeption, bei Lehraufträgen für Bankmitarbeiter, Vetorechte bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen und gesonderte Werberechte an zwei Berliner Universitäten zusichern ließ. Angesichts dieser Recherchen fordert der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, dass derartige Vereinbarungen zwischen Universitäten und Unternehmen künftig offen und transparent einsehbar sein sollten.
Die Kleine Anfrage samt Antwort zum Nachlesen: www.landtag.sachsen-anhalt.de (pdf)
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