Jagd ist kein Mittel zum Herdenschutz

22.05.19 –

Magdeburg. Im Rahmen der Debatte im Landtag zum Thema „Aufnahme des Wolfes in das Landesjagdrecht“ äußerte sich Umweltministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert:

Die Rede im Wortlaut (es gilt das gesprochene Wort):

„Wölfe haben in Deutschland über internationale Abkommen und Vorschriften einen sehr hohen Schutzstatus. Dazu gehören das Washingtoner Artenschutzabkommen, die Berner Konvention und vor allem die FFH-Richtlinie, durch die er als prioritäre Art des Anhangs II und streng geschützte Art nach Anhang IV geschützt ist.

Damit ist Deutschland verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass Wölfe einen langfristig lebensfähigen Bestand in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet aufbauen können (den sogenannten „guten Erhaltungszustand“).

Die Umsetzung der europäischen Vorgaben erfolgt in Deutschland über § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes. Bei Verstößen sind Haftstrafen oder hohe Geldbußen möglich. Damit besitzen Wölfe in Deutschland den höchstmöglichen Schutzstatus, und dies auch außerhalb von Schutzgebieten. 

Mit Ausnahme von Sachsen unterliegen Wölfe in Deutschland nicht dem Jagdrecht. Wie das Beispiel Sachsens zeigt, generiert die Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht bei ganzjähriger Schonzeit keinen Mehrwert, da der internationale Schutzstatus nicht aufgehoben wird. Eine ganzjährige Schonzeit bleibt bestehen und „problematische Tiere“ können weiterhin nur auf Basis des Bundesnaturschutzgesetzes entnommen werden. Eine Entnahme erfordert nach wie vor eine Auswertung des Erhaltungszustandes der Population der biogeographischen Region unter Beachtung aller Vorgaben des Artikels 16 (1) (e). Alles andere ist rechtswidrig.

Ebenso ist eine „Begrenzung eines Bestandes“ auf eine Obergrenze nicht richtlinienkonform. Eine Ermittlung einer Abschussquote in nur einem Teilgebiet der biogeographischen Region, wie einem Bundesland, ist laut der Ausführungen des EuGH, auch von vorletzter Woche (08.05.2019), unzulässig.

Soweit die Rechtslage. In der Praxis sprechen die Zahlen für sich:

2017/18 konnten in Sachsen-Anhalt 92 Wölfe anhand von Genetikproben individualisiert werden. Davon sind 35 Wölfe reproduktionsfähig, hiervon 28 Tiere aus unserem Land. Alle anderen sind Welpen oder Subadulte. In Sachsen-Anhalt reproduzieren 9 der vorhandenen 11 Rudel mit einer durchschnittlichen Welpenzahl von 3 ½ Tieren pro Rudel. Die Mortalitätsrate liegt bei den Welpen bei 70 Prozent. Umgekehrt liegt die Zuwachsrate der Wolfspopulation bei circa 3 Prozent, oder einem Tier pro Jahr. So bleiben von den 251 in Sachsen-Anhalt geborenen Welpen letztendlich nur 28 zu Sachsen-Anhalt zugerechnete fortpflanzungsfähige Tiere im Land übrig.

In europäischen Ländern in denen der Wolf bejagt wird, zeigen die Übergriffszahlen und die Summen der entstandenen Schäden, das Jagd kein Mittel zum Herdenschutz ist, wenn man die Tierart nicht wieder ausrotten möchte.

Als bedeutend effektiver und erfolgreicher hat sich in Sachsen-Anhalt die Kombination aus kompetenter Beratung der Landwirte durch Fachleute und die Förderung von wirksamen Herdenschutzmaßnahmen erwiesen. Trotz langsam wachsender Wolfspopulation sind die Übergriffzahlen rückläufig. Wir sind damit auf einem guten Weg, erfüllen die europäischen Vorgaben und etablieren mehr und mehr landesweit ein erfolgreiches Herdenschutzsystem.

Zu bedenken möchte ich noch geben, dass mit der Aufnahme in das Jagdgesetz auch die Verpflichtung zur Hege bestünde. Zum Beispiel erscheint mir eine Fütterung des Wolfes in Notzeiten und eine damit einhergehende Gewöhnung an den Mensch nicht wünschenswert. Hinzu kämen die erheblichen Aufwendungen zum Beispiel für das Monitoring, das Erstellen von Rissgutachten und Probenahmen, sowie die 24-Stunden-Rufbereitschaft, welche die Jägerschaft dann übernehmen müsste.

Der Wolf unterläge bei entsprechender Aufnahme in das Jagdgesetz Sachsen-Anhalts einer doppelten Zuständigkeit von Naturschutzrecht und Jagdrecht. Eine solche Konstellation erschwert eher ein Management, als das sie nützt. 

Insofern ist diesem Antrag nicht statt zu geben.“

 

Die protokollierte Landtagsrede können Sie auf der Seite des Landtags von Sachsen-Anhalt nachlesen oder im Video anschauen. 

 

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Quelle:
Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt 
Pressestelle 
Leipziger Str. 58 
39112 Magdeburg 
Tel: (0391) 567-1950 
Fax: (0391) 567-1964 
Mail: pr(at)mule.sachsen-anhalt.de

Kategorie

Landesregierung | Landwirtschaft

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