Kooperationsvereinbarungen zwischen Hochschulen und Unternehmen in Sachsen-Anhalt transparenter gestalten

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drs. 6/2097neu) vom 03.07.2013. Die Fraktionen CDU und SPD stellten hierzu einen Änderungsantrag (Drs. 6/2278) am 10.07.2013. Dazu gab der Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft am 08.09.2015 eine Beschlussempfehlung (Drs. 6/4345).

08.09.15 –

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drs. 6/2097neu) vom 03.07.2013. Die Fraktionen CDU und SPD stellten hierzu einen Änderungsantrag (Drs. 6/2278) am 10.07.2013. Dazu gab der Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft am 08.09.2015 eine Beschlussempfehlung (Drs. 6/4345).


Der Landtag wolle beschließen:

 

  1. Die Landesregierung wird aufgefordert zu prüfen, welche Bestandteile eines Kooperationsvertrages zwischen Hochschulen und privaten Unternehmen unter Achtung der Forschungsfreiheit, der Berufsausübungsfreiheit, der Vertragsfreiheit und unter Einhaltung weiterer rechtlicher Rahmenbedingungen veröffentlichungspflichtig gemacht werden können.

  2. Die Landesregierung wird weiter aufgefordert, im Zusammenwirken mit den Hochschulen des Landes verbindliche Regelungen zu erarbeiten, in denen Kriterien für die Ausgestaltung von Kooperationsvereinbarungen zwischen Hochschulen und Unternehmen festgelegt werden. Dabei sollen insbesondere folgende Punkte berücksichtigt werden:

    - Der Wahrung der Autonomie der Hochschulen ist höchste Priorität einzuräumen. Kooperationsverträge dürfen das unter dem Schutz der Verfassung stehende Gebot der Freiheit von Forschung und Lehre nicht beeinträchtigen. Klauseln im Kooperationsvertrag, die dies gefährden, sind unzulässig.

    - Die Kooperationsverträge müssen sicherstellen, dass den Hochschulmitgliedern das Publikationsrecht zusteht. Klauseln, die vorsehen, dass der  Kooperationspartner außerhalb der Hochschule sein Einverständnis für die Verwertung der Forschungsergebnisse geben muss, sind unzulässig.

    - Die Entwicklung von Curricula ist von der Hochschule zu verantworten. Auflagen, die den  Kooperationspartnern außerhalb der Hochschule Mitspracherechte bei der Konzeption und Ausrichtung von Forschung und Lehre einräumen, sind unzulässig. Dies schließt eine Kooperation im Bereich der Lehre mit dem Ziel der Innovationsfähigkeit und der besseren Anbindung zur Praxis jedoch nicht aus.

    - Bei der Vergabe von Lehraufträgen an Kooperationspartner außerhalb der Hochschule ist Transparenz zu gewährleisten. Klauseln, die eine Vergabe von Lehraufträgen an Kooperationspartner zwingend vorsehen, sind unzulässig.

    - In den Kooperationsverträgen ist ein transparenter Umgang hinsichtlich der Kosten und des Gewinns zu gewährleisten. Dabei müssen alle Kosten und deren Verteilung zwischen den Kooperationspartnern im Einzelnen präzise dargestellt werden. Vertragsklauseln, die die unentgeltliche Verwertung von Forschungsergebnissen (z. B. Patente) an die  Kooperationspartner außerhalb der Hochschule übertragen, sind unzulässig.

    - Um eine inhaltliche Überprüfung der Kooperationsverträge zu gewährleisten, sollen die Hochschulen ein standardisiertes Berichtswesen entwickeln. Der standardisierte Bericht wird jährlich dem Hochschulsenat und dem zuständigen Ausschuss  des Landtages vorgelegt.

    - Alle Beteiligten verpflichten sich, den Inhalt und das Ziel der Kooperation für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Dies beinhaltet jederzeit Rechenschaft über ihr Wirken abzulegen und umfassend über den Verlauf und die Entwicklung der Förderung zu berichten.

  3. Die Landesregierung wird weiter aufgefordert sicherzustellen, dass den  Mitgliedern des zuständigen Ausschusses des Landtages von Sachsen-Anhalt die Einsichtnahme in die Kooperationsverträge unter Wahrung der Vertraulichkeit unabhängig von Vertraulichkeitsklauseln in den Verträgen gewährt wird.

 

Begründung

In den vergangenen Jahren haben die Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen an Bedeutung gewonnen. Diese Entwicklung lässt sich an dem Anstieg des Anteils der drittmittel-geförderten Forschung feststellen. In den 1980er Jahren betrug der Anteil der Drittmittelforschung 8 Prozent. Inzwischen ist dieser Anteil auf 35 Prozent gestiegen. Nach Informationen der Deutschen Forschungsgemeinschaft erzielten die deutschen Hochschulen im Jahr 2009 Drittmitteleinnahmen von 5,3 Milliarden Euro. Der Anteil der Industrie und Wirtschaft an der Drittmittelforschung umfasste dabei 23 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen die Verschiebung von einer Ausstattungsforschung hin zu einer fremdfinanzierten Forschung.

Diese Tendenz zeigt sich auch in Sachsen-Anhalt. Aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung (Drs. 6/451) geht hervor, dass es in Sachsen-Anhalt insgesamt 11 Stiftungsprofessuren und 533 Kooperationsverträge gibt.

Viele Hochschulen sehen sich angesichts der rückläufigen staatlichen Grundfinanzierung dazu gezwungen, zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten in der Privatwirtschaft zu akquirieren, um die entstehenden finanziellen Lücken zu schließen. Dabei haben sich zwei Arten der Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Wirtschaft etabliert: Eine besonders intensive Form sind Institute, die von Hochschulen und Unternehmen gemeinsam finanziert werden. Eine andere Form der langfristigen Kooperation stellt die Bereitstellung von Stiftungsprofessuren dar, die in der Regel von den Unternehmen für fünf Jahre finanziert und anschließend von den Hochschulen fortgeführt werden.

Kooperationen zwischen Hochschulen und Wirtschaft sind sinnvoll, da sie wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und Wissenstransfer fördern. Für Unternehmen eröffnet sich dadurch der Zugang zu neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und der Kontakt zu gut qualifizierten Absolventen. Hochschulen profitieren insbesondere von zusätzlichen finanziellen Mitteln. Darüber hinaus eröffnen sich dadurch Anwendungsperspektiven für ihre Arbeit und Berufsperspektiven für ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und Studierenden. 

Trotz dieser Entwicklungen sind Hochschulen öffentliche Einrichtungen, die zuvorderst im Interesse und zum Wohle der Gesellschaft forschen. Entsprechend muss sichergestellt werden, dass sie aus finanziellen Zwängen heraus nicht ihre Autonomie verlieren und zusehends in einseitige Abhängigkeiten gegenüber ihren außeruniversitären Kooperationspartnern geraten. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass jede Form der Beeinflussung, die die Freiheit von Forschung und Lehre beeinträchtigt, unterbunden wird.

Die Veröffentlichung von geheimen Kooperationsverträgen hat in jüngster Zeit eine kontroverse Diskussion über deren Inhalte und Ziele ausgelöst. Insbesondere die Kooperationsvereinbarungen der Universität zu Köln mit dem Bayer-Konzern und der Deutschen Bank AG mit der Humboldt Universität und der Technischen Universität Berlin machten deutlich, dass fehlende Regeln zur Einschränkung der Freiheit von Forschung und Lehre führen können. In beiden Fällen hatten sich die Unternehmen weitreichende Mitspracherechte zusichern lassen.

Auf verfassungsrechtlicher Ebene sieht die Verfassung von Sachsen-Anhalt ein umfängliches Auskunfts- und Informationsrecht der Landtagsabgeordneten gegenüber der Landesregierung vor. Mit diesem Antrag soll die Landesregierung daher explizit aufgefordert werden, sicherzustellen, dass den Mitgliedern des zuständigen Ausschusses  Einsichtnahme in die Verträge zu gewährleisten ist. Bei Fragen von Abgeordneten zu diesen Themen wird die Auskunft bisher regelmäßig mit Hinweis auf den Datenschutz verweigert.

Vor diesem Hintergrund sind transparente Kooperationsverträge ein geeignetes Mittel, um für die Zukunft solch negativen Erfahrungen präventiv entgegenzuwirken. Hierbei sollen die Hochschulen in Sachsen-Anhalt ein einheitliches und standardisiertes Verfahren etablieren, nach dem Kooperationsverträge mit privaten Unternehmen abgeschlossen werden.

 

Prof. Dr. Claudia Dalbert
Fraktionsvorsitzende


Kategorie

Bildung | Parlament

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