10 Punkte für den Hochwasserschutz in Sachsen-Anhalt

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN  haben am 12.07.2013 ein Positionspapier zum Thema Umweltschutz verabschiedet, darin sind verschiedene Forderungen für einen besseren Hochwasserschutz aufgeführt.

12.07.13 –

1. Klimawandel auch im Hochwasserschutz beachten


Weltklimarat und Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) prognostizieren für die Zukunft mehr extreme Hochwasserereignisse aufgrund des Klimawandels. Klimaschutz muss daher konsequent betrieben werden. Klimaschutz ist der beste Hochwasserschutz. Es müssen klare Ziele definiert werden. Konzepte zur Erhöhung von Deichen reichen nicht aus, um den Hochwasserereignissen begegnen zu können. Denn die Hochwasserereignisse werden nicht nur stärker, sondern auch häufiger vorkommen. Die Folgen des Klimawandels müssen auch bei der Bemessung der Hochwasserschutzeinrichtungen berücksichtigt werden. So ist es in anderen Ländern bereits seit einigen Jahren üblich, den „Klimazuschlag“ einzubeziehen.


Tatsächlich gab es seit 1997 neun Vb-Wetterlagen in Sachsen bzw. Tschechien; charakteristisch für Vb-Wetterlagen sind langanhaltende und starke Niederschläge. Vb-Tiefs sind durch Hochs eingeklemmt und bleiben deshalb besonders lange an einer Stelle und regnen ab. Für das Hochwasser 2013 konnte zwar keine Vb-Wetterlage identifiziert werden, aber dennoch waren die Ausprägungen dieser Tiefdruckgebiete dem eines Vb-Tiefs sehr ähnlich. In der Dekade 2001 bis 2010 hat es so viele Wetterextreme wie noch nie gegeben (Deutscher Wetterdienst am 3. Juli 2013).


Aus diesem Hochwasserereignis muss man zwei Schlüsse ziehen:


• Das Hochwasser ist eine Folge des Klimawandels.
• In Zukunft gibt es deutlich mehr und voraussichtlich intensivere Hochwässer.


Dies muss bei der Planung von Hochwasserschutzeinrichtungen beachtet werden.


2. Schnelle und unbürokratische Hilfe für die Betroffenen


Nachdem Bundestag und Bundesrat das Fluthilfegesetz und den Fluthilfefonds auf den Weg gebracht
haben, muss auch das Land schnell die entsprechenden Voraussetzungen schaffen, um die Mittel verteilen zu können. Nur so erhalten die Betroffenen schnelle und unbürokratische Hilfe. Dabei sollten auch spezielle Hilfsprogramme für die Betroffenen enthalten sein, die ihre zerstörten Gebäude nicht am selben Platz wieder aufbauen wollen.


3. Hochwasserschutzkonzeption 2020 überarbeiten


In der Hochwasserschutzkonzeption 2020 des Landes Sachsen-Anhalt werden Maßnahmen identifiziert, die bis 2020 einen effektiven Hochwasserschutz gewährleisten können. Das Hochwasser 2013 hatte weitaus verheerendere Folgen als das Hochwasser 2002:

• Deiche sind gebrochen, weil sie nicht DIN-gerecht ausgebaut waren
• Deiche sind überspült worden, weil der Hochwasserscheitel deutlich höher war als 2002.


Die Hochwasserschutzkonzeption 2020 muss deswegen auf der Grundlage einer Auswertung des
Hochwassers 2013 überarbeitet werden. Im Rahmen der Überarbeitung muss auch geprüft werden,
wo zusätzlich zu den in der Hochwasserschutzkonzeption enthaltenen Projekten neue Überflutungsflächen geschaffen werden können.


4. Prioritätenliste für Hochwasserschutzmaßnahmen erarbeiten


Das Hochwasser 2013 hat gezeigt, dass dringend notwendige Maßnahmen nicht vordringlich umgesetzt wurden. Besonders hohe Schäden wie bei Fischbeck waren die Folge. Daher brauchen wir eine Prioritätenliste, um Hochwasserschutzmaßnahmen zunächst dort zu realisieren, wo die größte Gefahr existiert. Ganz oben auf der Prioritätenliste soll dabei neben der Reparatur der Schäden aus dem Hochwasser 2013 die Rückverlegung von Deichen stehen.


Ein Kataster der Hochwasserschutzmaßnahmen – im Internet öffentlich einsehbar – muss Aufschluss
über den aktuellen Planungsstand jeder einzelnen Maßnahme geben.


Ein wirksamer Hochwasserschutz besteht darin, den Flüssen mehr Raum zu geben. Deichrückverlegungen geben den Flüssen mehr Raum. Darüber hinaus dienen sie der Wiederanbindung von Auen. Das ist nicht nur für den Hochwasserschutz von Vorteil, sondern auch für die Erhaltung der Artenvielfalt. Seit dem Hochwasser 2002 wurde nur eine der vorgesehenen Deichrückverlegungen begonnen – das ist die Deichrückverlegungs-maßnahme im Lödderitzer Forst. Von den in der Hochwasserschutzkonzeption 2020 vorgesehenen 2.600 Hektar (ha) Überschwemmungsfläche, die durch Deichrückverlegungen geschaffen werden sollen, werden also gerade einmal 600 ha aktuell geschaffen.


Auen sind für die Sicherheit der Menschen notwendig, weil sie Wasser zurückhalten und Hochwasserwellen bremsen. Auen sind auch wichtige und vielfältige Lebensräume und dienen der Erhaltung der Biodiversität. Die Verluste von Auen als Überschwemmungsflächen liegen an der Mittleren Elbe bei 80 Prozent.


5. Baumaßnahmen in Überschwemmungsgebieten und überschwemmungsgefährdeten Gebieten
verhindern


Im Wasserhaushaltsgesetz und im Wassergesetz des Landes Sachsen-Anhalt sind Überschwemmungsgebiete definiert. Dies sind Gebiete


• zwischen Uferlinie und Hauptdeich oder Hochufer,
• zwischen Uferlinie und Flutungspolder sowie
• Risikogebiete, für die statistisch mindestens einmal in 100 Jahren ein Hochwasserereignis zu
erwarten ist, und

• Gebiete, die der Hochwasserentlastung und Rückhaltung dienen.


Um Schäden künftiger Hochwässer zu minimieren muss jegliche Bautätigkeit in Überschwemmungsgebieten verhindert werden.


Überschwemmungsgefährdete Gebiete in Sachsen-Anhalt sind umgehend zu identifizieren und in der
Raumordnung darzustellen. Auch für diese Gebiete ist ein grundsätzliches Bauverbot zu verankern und die Betroffenen umfassend zu informieren. Darüber hinaus ist es unverzichtbar, bestehende Bauleitpläne auf der Grundlage der Erfahrungen des Hochwasserereignisses 2013 und der Hochwasserrisiko- und -gefahrenkarten einer umfassenden Prüfung zu unterziehen.


Notwendig ist auch eine Anzeigepflicht für Flüssiggasbehälter und Öltanks in überschwemmungs-gefährdeten Gebieten sowie bauliche Anpassungen in gefährdeten Bereichen (beispielsweis Umstellung von Ölheizungen oder Verlegung von Heizungsanlagen aus hochwassergefährdeten Kellern).


6. Bodenversiegelung stoppen


Die fortschreitende Bodenversieglung trägt dazu bei, dass Niederschlagswasser immer schneller abgeführt wird und sich Hochwasserscheitel schneller aufbauen und gegenseitig überlagern. Deshalb sind Maßnahmen notwendig, die Bodenversiegelung zu stoppen und durch Entsiegelungs-maßnahmen den Wasserrückhalt in der Fläche zu verbessern.


7. Gute Landwirtschaftliche Praxis für den Hochwasserschutz definieren


Die Flüsse haben zu wenig Platz – das führt zu Hochwasser mit höherem Scheitel und höherem Schadenspotenzial. Doch auch andere Entwicklungen begleiten die Ausprägung der Hochwasser ganz entscheidend: Die Form der Bodennutzung und die damit zusammenhängende Bodenverdichtung tragen dazu bei, dass Niederschläge nicht versickern können, sondern sofort hochwasserwirksam werden. In Sachsen-Anhalt werden 227.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche entwässert und 147.000 ha werden dräniert (Dränage: Landwirtschaftliche Flächen sind verrohrt, Beregnungswasser wird durch Rohre abgeleitet.). Die Flächen halten Wasser nicht zurück, sondern tragen im Gegenteil zur Entstehung von Hochwasser bei. Deshalb sind Maßnahmen notwendig, die den Wasserrückhalt in der Fläche verbessern und Bodenverdichtung vermeiden. Forschungen haben ergeben, dass die positiven Wirkungen des Biolandbaus auf die Bodenstruktur dazu beitragen, den Wasserrückhalt zu verbessern.


Um Schadensummen möglichst gering zu halten, ist darüber hinaus die landwirtschaftliche Bodennutzung in den Überschwemmungsgebieten und in den überschwemmungsgefährdeten Bereichen zu überprüfen.


8. Hochwasserschutzmaßnahmen mit den Menschen umsetzen


Das Hochwasser 2013 verdeutlicht die Defizite im Hochwasserschutz in Sachsen-Anhalt. Die Deichrückverlegungen aus der Hochwasserschutzkonzeption 2020 wurden fast gar nicht umgesetzt. Das liegt auch daran, dass die Umsetzung der Maßnahmen sehr lange dauert. Die Landesregierung setzt jetzt darauf, die Bürgerbeteiligung einzuschränken. Aber damit wird sie das Gegenteil erreichen. Akzeptanz für die Hochwasserschutzmaßnahmen erreicht man mit den Menschen vor Ort. Eine Beschneidung der Bürgerbeteiligung kann nicht das Ziel in einer Demokratie sein. Best-Practice Beispiele wie die in Köln oder an der Iller zeigen, dass das mit den Bürgerinnen und Bürgern auch geht.


9. Hochwasserschutzkonzepte und Katastrophenschutzpläne länderübergreifend abstimmen


Da Flüsse nicht an Ländergrenzen halt machen, müssen die entsprechenden Vorsorgemaßnahmen und die Katastrophenschutzpläne länderübergreifend abgestimmt werden. Das Hochwasser 2013 zeigte, dass hier erheblicher Nachholbedarf existiert. Wir brauchen länderübergreifend abgestimmte integrierte Hochwasserschutzkonzepte und Katastrophenpläne. Im Rahmen dieser Abstimmung ist besonders auch die Schaffung von zusätzlichen Überflutungsflächen zu berücksichtigen.


10. Personal für den Hochwasserschutz bereitstellen


Weil im für den Hochwasserschutz zuständigen Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasser-wirtschaft (LHW) nicht ausreichend Personal für die Planung und Vorbereitung von Hochwasser-schutzmaßnahmen zur Verfügung steht, konnten insbesondere aufwendige Maßnahmen wie die Deichrückverlegungen nicht durchgeführt werden. Statt einer Aufstockung sieht das Personal-entwicklungskonzept der Landesregierung vor, bis 2025 weitere 164 Stellen im LHW eingespart werden. Um die Durchführung der Maßnahmen zu sichern, muss im LHW ausreichend Personal zur Verfügung stehen. Die Gespräche mit den Menschen vor Ort müssen intensiv geführt werden. Das wirtschaftliche Überleben von LandwirtInnen hängt auch davon ab, wie gut Flächentausche und Kompensationen verhandelt wurden.

 

Weitere Informationen zum Hochwasserschutz finden Sie auch im Positionspapier der Fraktions-vorsitzenden der ostdeutschen Landtagsfraktionen.

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