Rede von Claudia Dalbert zur Haushaltsdebatte

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Haushaltsdebatte geht es um die harten Fakten der Zukunftsplanung für unser Land. Es geht um die zentralen Weichenstellungen, wie es hier bei uns im Land weiter gehen soll. Die Zukunftsbedrohungen sind klar: Ab 2020 beginnt eine neue EU-Förderperiode. 

12.09.13 –

Es gilt das gesprochen Wort, dafür bitte das Video anschauen. Rede gehalten am 12.09.2013 im Landtag in der Gerneraldebatte zum Haushalt 2014.

 

Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

In der Haushaltsdebatte geht es um die harten Fakten der Zukunftsplanung für unser Land. Es geht um die zentralen Weichenstellungen, wie es hier bei uns im Land weiter gehen soll.

Die Zukunftsbedrohungen sind klar:

Ab 2020 beginnt eine neue EU-Förderperiode. Ob und in welchem Umfang dann Mittel nach Sachsen-Anhalt fließen werden, können wir heute nicht voraus sehen.
Ab 2019 beginnt ein neuer Länderfinanzausgleich. Ob und in welchem Umfang dann Mittel nach Sachsen-Anhalt fließen werden, auch das können wir heute nicht voraus sehen.
Nach wie vor gehen mehr Menschen aus Sachsen-Anhalt weg als zu uns kommen. Und bei uns weniger Menschen geboren als bei uns Menschen sterben.

Es besteht die Gefahr, dass wir immer weniger und immer älter werden.

Es besteht die Gefahr, dass wir ab 2019 substantiell weniger Geld zur Verfügung haben werden.

 

Die politische Herausforderung um eine lebenswerte nachhaltige Zukunft für unser Land zu gestalten sind ebenso klar:

Wir müssen attraktiv bleiben, oder sogar noch attraktiver werden für junge Menschen und ihre Familien.

Wir müssen Sorge tragen,

damit mit alle junge Menschen bei uns die beste Bildung erfahren.
damit die gut ausgebildeten jungen Menschen hier bei uns im Land bleiben.
damit junge gut ausgebildete Menschen zu uns kommen, um mit uns gemeinsam Zukunft zu gestalten.

Investitionen in Bildung, in Kultur und in den Erhalt unserer Lebensgrundlagen müssen daher Schwerpunkte unserer Politik sein.

 

Nichts ist so wichtig wie eine exzellente schulische Bildung vor Ort. Diese öffnet den jungen Menschen das Tor zu einer guten Zukunft, zu Chancen auf faire Teilhabe an unserer Gesellschaft. Gute Schulen machen Gemeinden als Wohnorte attraktiv für junge Familien. Oder umgekehrt, wer Schulen schließt, vertreibt Familien. Der vorgelegte Haushalt beruht auf einem Personalentwicklungskonzept, welches realitätsblind ist, welches LehrerInnenmangel und Stundenausfall vorprogrammiert und durch Schulschließungen zur Landflucht animiert. Eine gerade dem Landtagspräsident übergebene Protestliste mit 16.000 Unterschriften zum Erhalt der kleinen Schulen auf dem Land belegt eindrücklich, dass Sie, Herr Ministerpräsident Haseloff, an den Sorgen vieler Eltern hier im Land vorbei regieren.

Eltern wollen gute Schule!
Wollen Schule ohne Unterrichtsausfall!
Gute Schule braucht Planbarkeit.
Darum Herr Ministerpräsident sorgen sie endlich dafür, dass der Realitätsblindheit in der Personalentwicklungsplanung ein Ende gemacht wird.

 

Der Landtag hat gerade auf unsere Initiative hin beschlossen, das jugendpolitische Programm weiter zu entwickeln. Jugendarbeit ist dringend geboten in einem Land, in dem noch immer viele junge Menschen Förderschulen besuchen, die Schule ohne Abschluss verlassen und ohne Arbeit sind, ein Land, in dem sich die Jugendarbeit mangels finanziellen Unterstützung immer mehr aus der Fläche zurück ziehen muss und so die Gefahr verstärkt, dass junge Menschen den braunen Rattenfängern auf den Leim gehen. Nun plant ihre Regierung, Herr Haseloff, bei der Jugendpauschale und dem Fachkräfteprogramm ad hoc 2 Millionen € einzusparen. Und ab 2015 droht das vollständige Aus für beide Programme. Denn eine Verpflichtungsermächtigung für 2015 steht nicht im Haushalt. Das ist ein Abbau jugendpolitischer Zukunftsvorsorge, die unser Land dringend braucht.

 

Unsere Hochschulen gehören zu den besonderen Schätzen, die wir hier in Sachsen-Anhalt haben. Unsere Hochschulen sind Leuchttürme, die junge gut ausgebildete Menschen nach Sachsen-Anhalt ziehen und viele unserer AbiturientInnen im Land halten. Unsere Hochschulen sind eng verzahnt mit der Wirtschaft, die sie in ihren Forschungs- und Entwicklungsbemühungen unterstützen. Unsere Hochschulen bilden die Fachkräfte aus, die dringend gebraucht werden und auch die Fachärzte – und ärztinnen, die wir dringend brauchen. Unsere Hochschulen generieren Arbeitsplätze und schaffen regionale Nachfrage und sorgen so für Vitalität und kulturelle Vielfalt in unseren Städten und Regionen.

Nun ist uns ja ein Kahlschlagszenario aus dem Wissenschaftsministerium bekannt geworden.

Ich will jetzt gar nicht darüber reden, ob dieses Horrorszenario autorisiert war oder wie ich einem Minister finde, der seine Leute solche Horrorszenarien ausarbeiten lässt oder sich auf Verschwinden auf dem Postweg beruft.

 

Aber zweierlei macht dieses Szenario doch deutlich.

Erstens: Wollte die Landesregierung tatsächlich in den Hochschulen bis 2025 circa 77 Millionen € einsparen,

dann müsste dazu die Hochschulmedizin in Halle geschlossen werden. Eine Folge wäre ein drohender Fachärztemangel!
Um diese realitätsblinde Kürzungsvorgabe einzuhalten müsste die Landesregierung ferner massive Einschnitte in der Hochschullandschaft vornehmen: Im Szenario ist die Rede von einem Verlust von nahezu 1.000 Arbeitsplätzen und mehr als 8.000 Studienplätzen.

Mit einer solchen Politik, Herr Ministerpräsident, würden Sie den Ast absägen, auf dem wir alle sitzen!

Und ein zweites macht das bekannt gewordene Szenarium deutlich: Die MitarbeiterInnen im Wissenschaftsministerium, oder zumindest einige von ihnen, arbeiten an den falschen Aufgaben. Es darf nicht um die Erarbeitung eines realitätsblinden Kürzungsszenario gehen, sondern es muss um die sorgfältige Auswertung des Gutachtens des Wissenschaftsrates gehen, es muss darum gehen, erste Leitplanken für zukunftsfeste Strukturen für unsere Hochschullandschaft zu entwickeln, heraus zu kristallisieren, wie unsere Hochschulen noch besser und noch attraktiver werden können.

Nur: Mit jedem Kürzungsszenario wird die Bewältigung dieser zentralen Zukunftsherausforderung schwieriger.

 

Herr Ministerpräsident,

sorgen sie dafür, dass im Wissenschaftsministerium endlich die Zukunftsaufgaben angepackt werden!
Nehmen Sie endlich dass Kürzungsziel von 77 Millionen € aus dem Wissenschaftshaushalt zurück!
Nur dann kann eine sachorientierte Zukunftsplanung für unsere Hochschullandschaft gelingen.

Bereits im vorgelegen Haushalt wollen Sie mehr als 23 Millionen € bei den Hochschulen kürzen.

Hier geht es um gut 12 Millionen für Großgeräte, die das Handwerkszeug des wissenschaftlichen Arbeitens bilden.
Hier geht es um das Beenden der Landesgraduiertenförderung, die es bisher erlaubt, die Jahrgangsbesten im Landes zu halten und mit ihnen neue Forschungsgebiete zu eröffnen.
Hier geht es um knapp 10 Millionen für die Landesexzellenzinitiative, die in herausragender Weise zur Profilierung unserer Hochschulen beigetragen hat.

Bereits im nächsten Jahr beabsichtigt also die Landesregierung die Profilbildung und Arbeitsbedingungen der Hochschulen durch die geplante Kürzung zu beschneiden und zu konterkarieren.

Dies lehnen wir ab!

Wir werden die Rücknahme dieser Kürzungen beantragen und selbstverständlich einen Gegenfinanzierungsvorschlag vorlegen.

 

So wenig wie Kürzungsintentionen im Wissenschaftsbereich mit Strukturüberlegungen untersetzt sind, so wenig ist dies auch im Bereich der Theater- und Orchesterfinanzierung der Fall. Hier hält die Landesregierung an ihrer Kürzungsabsicht von 6.3 Millionen € fest. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verschließen sich nicht einer Strukturdebatte für den Theater- und Orchesterbereich, aber bitte: Erst die Strukturdebatte, Dann prüfen, ob eine neue Struktur weniger Geld kostet.

 

Die geplanten Kürzungen würden am Ende mehr kosten, aber zu weniger Kultur führen. Darum schließen wir uns an dieser Stelle nachdrücklich den Empfehlungen des Kulturkonvents an: Keine Kürzungen bei den Theatern und Orchestern in den nächsten Jahren, vielmehr Aufstockung der Haushaltsmittel so, dass endlich eine tarifgerechte Bezahlung möglich wird. Und dann wird über eine zukunftsfeste Theater- und Orchesterstruktur für unsere Land verhandelt. Das ist die richtige Reihenfolge!

 

Und natürlich ist der Erhalt unserer Lebensgrundlagen, Umwelt- und Hochwasserschutz ein Thema in der Haushaltsdebatte. Beim Hochwasserschutz stellen sich mir viele Fragen:

Die Mittel wurden um 700.000 € aufgestockt. Ein für die gigantische Aufgabe, die vor uns liegt, lächerlicher Betrag. Aber schon im vergangenen Jahr konnten die Mittel für wasserwirtschaftliche Maßnahmen nicht ausgegeben werden. Hier stellt sich mir die Frage, wie die Landeregierung ohne Personalverlagerung hin zum Hochwasserschutz mehr Mittel fristgerecht in den Hochwasserschutz investieren will.
Anhand des Haushaltsentwurfs können wir nicht erkennen, welche Hochwasserschutzmaßnahmen im nächsten Jahr prioritär umgesetzt werden sollen. Genau eine solche Diskussion im Parlament wäre aber dringend geboten.
Und schließlich: Die Landesregierung beantragt die Schuldentilgung für 2014 auszusetzen: Laut Tilgungsplan war hier eine Tilgung von 50 Millionen vorgesehen. Bei Naturkatastrophen wie dem diesjährigen Hochwasser ist es möglich, die Tilgung auszusetzen, sofern der Landtag zustimmt. Logischerweise würde man dann erwarten, dass die Landesregierung die Summe der ausgesetzten Tilgung, also die 50 Millionen, zur Bewältigung des Hochwassers und zum Hochwasserschutz vorsieht. Nun schauen wir uns mal den Haushalt an. Da sind diese 50 Millionen bereits ausgegeben. Sie stehen nämlich weder in der Tilgung noch in einem Haushaltposten zum Hochwasserschutz. Faktisch hat die Landesregierung also diese Mittel bereits verplant, aber eben nicht für den Hochwasserschutz.

Wer in Zeiten steigender Einnahmen das Hochwasser als Feigenblatt für mangelnde Haushaltsdisziplin zu benutzen, nimmt die Sorgen der Menschen in unserem Land nicht Ernst.

 

Herr Bullerjahn,

dieser Haushalt ist alles, nur kein Sparhaushalt.

Und das bei einem Schuldenstand von 20,6 Milliarden Euro!

 

Es ist ja erfreulich: Wir nehmen mehr Geld ein als letztes Jahr: nämlich ein knappes 0,5 % oder 47.377.000 € mehr, nicht zuletzt weil die Gemeinschaftssteuereinnahmen steigen.

 

Bei Ihnen, Herr Bullerjahn, führt dies dazu, dass die Landesregierung im nächsten Jahr mehr Geld auszugeben plant, nämlich genau die 10.047.676.100 € , die das Land einnehmen wird. Dabei reden Sie und der Ministerpräsident doch immer von der Notwendigkeit des Sparens! Aber:

Sparhaushalt, vorsorgende Finanzpolitik: Fehlanzeige.

 

Dieses Jahr haben wir noch 20 Mill. zur Rücklagenbildung in den Pensionsfond gelegt.

Nächstes Jahr? Fehlanzeige!

Dieses Jahr haben wir noch 20 Mill. in die Steuerschwankungsreserve gelegt, um für schlechte Einnahmejahre einen Puffer aufzubauen.

Nächstes Jahr? Fehlanzeige!

Dieses Jahr haben wir haben 25 Mill. unserer Schulden getilgt. Nächstes Jahr sollten es laut Tilgungsplan 50 Millionen sein.

Der Schuldenberg liegt nun bei 20,6 Milliarden Euro und was plant diese Landesregierung nächstes Jahr nun tatsächlich für die Tilgung ein? Nichts!

 

Was heißt das? Summieren wir die Steuermehreinnahmen, die nicht mehr vorgesehenen Schuldentilgung und die gestrichenen Rücklagen auf, bedeutet das, dass die Landesregierung plant, im nächsten Jahr faktisch insgesamt 112 Millionen € MEHR auszugeben als in diesem Jahr.

 

Herr Bullerjahn, das ist eine finanzpolitische Kapitulation!

 

Die Landesregierung plant bei den Theatern und Orchestern eine Kürzung 6.3 Millionen € und stürzt damit unsere Theater in eine tiefe Krise.
Die Landesregierung plant bei den Hochschulen eine Kürzung von 23 Millionen € ohne eine zukunftsfeste Hochschulstruktur mit den Akteuren vor Ort entwickelt zu haben.
Beim Blinden- und Gehörlosengeld will die Landesregierung 6 Millionen kürzen. Und der zuständige Minister sagt der Zeitung, der einzige Grund dafür, seien die Eckwerte der Landesregierung. Wie armselig ist das denn.
Bei der Jugendpauschale und dem Fachkräfteprogramm plant die Landeregierung eine Kürzung von 2 Millionen € und anschließend soll wohl beides auf Null gesetzt werden. Nach 20jähriger Förderkontinuität kommt dies einem Vertrauensbruch der Landesregierung gleich.
Bei der Verbesserung der Gewässerqualität hinken wir seit Jahren hinterher. Gemäß europäischer Wasserrahmen-Richtlinie müssen bis 2015 alle Gewässer in einem guten ökologischen Zustand sein sollen. Heute – 2013 - befinden sich lediglich 8 % der Gewässer in Sachsen-Anhalt in einem guten Zustand. 2015 als Ziel ist nicht zu halten, das ist klar. Selbst 2021 wird inzwischen als kaum zu halten angesehen. Hier müssten die Mittel drastisch noch oben gesetzt werden. Stattdessen sieht die Landesregierung eine Kürzung der Mittel um gut 40% oder um eine knappe Million € vor.

Und gleichzeitig will die Landesregierung im nächsten Jahr 112 Millionen mehr ausgeben.

 

Herr Bullerjahn,

Dieser Haushalt ist ein unmoralisches Angebot.
Sie geben vor ein Sparminister zu sein. Wahr aber ist, sie verlangen nur von anderen zu sparen, aber nicht von sich selbst.
Sie geben mehr aus als je zuvor!
Von Schuldentilgung keine Rede!
Sie legen nichts mehr zurück für schlechte Zeiten!

Mehr noch: Sie schlagen im Haushaltsbegleitgesetz eine Änderung des Gesetzes über die Steuerschwankungsreserve vor, die dem Fass dann endgültig den Boden ausschlägt.

Sie wollen der Steuerschwankungsreserve nicht nur, nichts mehr zuführen, sondern sie wollen jetzt sogar die Erlaubnis haben, sie zu missbrauchen. Die Steuerschwankungsreserve ist eine stille Reserve für Notzeiten, wenn die Steuereinnahmen dramatisch einbrechen. Sie aber wollen die Erlaubnis haben, die Steuerschwankungsreserve auch dann anzapfen zu können, wenn sie in normalen Zeiten keinen ausgeglichen Haushalt hinbekommen. Die Steuerschwankungsreserve würde so zu einem x-beliebigen Sparschwein, dass der Finanzminister zerschlagen darf, nur weil er seine Hausaufgaben nicht hin bekommt!

 

Dies ist an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten
Öffentlich rufen Sie zum Sparen auf.
In Wahrheit wollen sie in die Spartöpfe des Landes greifen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Unser Land steht vor großen Herausforderungen.

Wir haben ein Einnahmeproblem, dass sich in den nächsten Jahren zu verschärfen droht.

Die Menschen werden in 10 Tagen darüber entscheiden, ob unsere Steuersystem endlich wieder gerechter wird und wir auch in den nächsten Jahren genug Geld haben werden, um Bildung, Kultur und Erhalt der Lebensgrundlagen zu finanzieren.
Die Menschen werden in 10 Tagen darüber entscheiden, ob endlich wieder jeder in Deutschland von seiner Arbeit leben kann, und damit dann auch Steuern zahlen kann, anstatt Geld vom Staat zur Lohnaufstockung zu bekommen.

Und wir haben ein massives Ausgabenproblem.

Herr Ministerpräsident Haseloff,

Sie und Ihre Landesregierung geben das Geld für die falschen Dinge aus.

Sie sparen unsere Zukunft kaputt!

Da haben die Menschen im Land Besseres verdient!

Kategorie

Bildung | Kultur | Parlament

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